Rezensionen


Rezensionen

DER WINKELADVOKAT
Wenn man den Roman von Monsieur Rainer mit dem Titel „Der Winkeladvokat“ zum ersten Mal in den Händen hält und kurz reflektiert, worauf man sich bei diesem Buch eigentlich einlässt, könnte man durchaus auf die Idee kommen, dass es sich hierbei um die Beweihräucherung des Berufsstandes der Anwaltschaft handelt, der im akademischen Ranking immer noch hoch angesiedelt ist. Das Image wird zuweilen nur durch einige geldgierige, verlogene und betrügerische Vertreter dieses Berufsstandes angekratzt. Ansonsten erwartet man smarte, Porsche fahrende, mit dunklem Tuch ausgestattete Anzugträger, die nichts erschüttern kann, zumindest keine kleinen, dicklichen, bebrillten Staatsanwältinnen oder Richterinnen. Allenfalls die jungen, mittlerweile attraktiven Referendarinnen könnten sie gelegentlich aufs Glatteis führen. Ja, die Liebesabenteuer eines solchen Draufgängers hinter gediegenen Anwaltstüren, der selbstverliebt ironisch gelegentlich sich als Winkeladvokat vorstellt, verspricht schon Kurzweiliges.Auch der Name des Autors „Monsieur Rainer“ ist zweifellos ein Pseudonym. Will er damit Diskretion gegenüber der weiblichen Mandantschaft beweisen oder sich gar vor den Nachstellungen der Obrigkeit schützen, falls nicht immer alles nach Recht und Gesetz gelaufen ist?
Alles weit gefehlt.
Monsieur Rainer, der bekannte Autor der wunderbaren „Commissaire Carlucci“- Kriminalromane oder auch des intelligenten, zeitkritisches Buches „Wehrt Euch!“ beschreibt hier in Romanform das dramatische Leben eines jungen Mannes, der gepeinigt durch seine gefühlskalten Juristeneltern, es vorzieht, lieber in die französische Fremdenlegion abzuhauen, als gedemütigt und geprügelt zu werden, da die Noten des Reifezeugnisses nicht den Vorstellungen seiner Erzeuger entsprechen. Hier trainiert er seine Stärken und wird zum harten, angstfreien Kämpfer ausgebildet. Hier aber auch wird sein unbedingter Wille geprägt, es seinen familiären Peinigern mit gleicher Münze heimzuzahlen. Nach seiner Entlassung aus der Legion studiert er Jura in Nizza und Tübingen. Sein einziges Ziel ist es, diesem menschenverachtenden Staatsanwalt und dieser kalten hochnäsigen Richterin, diesen zwei Personen, die sich seine Eltern nennen, alles das zurückzuzahlen, was diese im Laufe vieler Jahre an ihrem Sohn verbrochen haben. Als er endlich als Anwalt im gleichen Landgerichtsbezirk wie dieses “ehrenwerte“ Juristenpaar zugelassen wird, glaubt er die Zeit der Rache sei gekommen. Monsieur Rainer stellt hier einen glänzend geschriebenen Roman vor, einerseits perfekt recherchiert, was die gerichtliche Praxis anbelangt, so dass der Leser auf eine abgeschlossene juristische Ausbildung mit anschließender anwaltlicher Tätigkeit schließen kann. Doch auch die Erfahrungen, die sein Protagonist in den verschiedenen Gerichtssälen dieses Landes gemacht hat, dokumentiert profunde Kenntnisse der Materie. Dieses alles bindet der Autor in die tiefe Emotionalität des jungen Mannes ein, dem das Schicksal so viele Härten auferlegt hat. Die schönen Seiten des Lebens kommen allerdings auch nicht zu kurz, wenn der ehemalige Fremdenlegionär an seine geliebte Cote d` Azur zurückkehrt, nach Nizza, wo sein Leben als Student sich durchaus angenehm gestaltete.
Alles in allem haben wir es mit einem Roman zu tun, der voll Herzblut geschrieben, auch durchaus biographische Züge aufweisen könnte und deutlich zeigt, wie kalt und herzlos Menschen, zumal gutbetuchte Juristen sein können. Wie aussichtslos es ist, gegen verlogene Strukturen zu kämpfen, erfährt unser Protagonist permanent, zumal wenn man von blindem Hass geleitet wird. Ach ja, und ob unser Romanheld immer nur gegen das Böse kämpft oder ob er auch Gefühle und Leidenschaften seitens der holden Weiblichkeit entgegengebracht bekommt, müssen sie durch die Lektüre selbst herausfinden. Es ist fast zu vermuten.
Ich möchte dieses Buch uneingeschränkt empfehlen.

Helga König
Freie Journalistin

COMMISSAIRE CARLUCCI : DER SIZILIANER
Nach seiner fristlosen Entlassung gerät Flavio Carluccis Leben völlig aus dem Ruder. Er ist innerlich erstarrt, psychisch wie tot und gelähmt, bricht den Kontakt zu seiner Familie und seinen Freunden ab und spricht dem Alkohol über die Maßen zu. Finanziell ist er abgebrannt, sein Äußeres und sein Wohnungsumfeld sind in einem erbärmlichen Zustand. Plötzlich wird seine Enkelin entführt. Und nach einer Pferdekur, die ihm seine Freunde und Kameraden verpassen, ist er fast wieder der alte Carlucci. Und gefährlicher, denn er ist an keine Gesetze mehr gebunden. Mit seinen alten Weggefährten durchkämmt er zuerst die Altstadt von Nizza nach dem angeschossenen Entführer. Sie hinterlassen bei den Unterweltspitzeln eine Spur der Verwüstung und der Gendarmerie so manchen verschnürten Ganoven und auch so manches Rätsel. Von einem Russen bekommen sie den entscheidenden Hinweis, wo sich die Enkelin von Flavio Carlucci befindet und wer sie entführt hat. Carlucci und seine Freunde nehmen die nicht immer freiwillig gegeben Hinweise zur Sicherheit auf Band auf. Carlucci nimmt seiner Tochter, Lucia Carlucci de Sobieski das Versprechen ab, ihrem Mann die Existenz der Bänder zu verschweigen. Sie übergibt die Bänder einem befreundeten Staatsanwalt. Auf Grund dieser Beweise erfolgt der Zugriff durch das Sondereinsatzkommando der Gendarmerie Nationale auf das Schiff Moskwa Blue im Golf de Saint Tropez. Die Tochter von Lucia Carlucci de Sobieski wird unversehrt geborgen und mit ihr noch weitere 22 Kinder. Es scheint, als wenn man einem Organhandelring auf die Spur gekommen ist. Doch die Enkelin Carluccis wurde dort aus einem anderen Grund festgehalten. Es war ein Racheakt. Das gesunde Misstrauen gegenüber seinem Schwiegersohn Jean de Sobieski war doch berechtigt. Als Colonel des französischen militärischen Geheimdienstes DGSE hatte sein Schwiegersohn die Idee, der Piraterie vor Somalias Küste ein Ende zu setzen, indem er den Sniper (Bewaffneter aus dem Hinterhalt,) Capitaine Alain Rossi auf Mahmud Al-Bashir ansetzte. Die Aktion ging schief und Rossi wurde verhaftet und gefoltert. Anstatt Sobieski ihn dort rausholte, vernichtet er sämtliche Akten und somit konnte Frankreich nicht mit diesem Vorfall in Zusammenhang gebracht werden. Als Top Agent mit exzellenter Ausbildung gelang Rossi die Flucht und seitdem sinnt er auf Rache. Commissaire Carlucci wird wieder eingestellt, bekommt auf Jahre sein Gehalt nachgezahlt. Er ist direkt dem Innenministerium und somit dem DGPN (Directeur der Police Nationale) unterstellt. Seine Aufgabe ist die Aufklärung von Verbrechen mit Bedeutung für die Republik Frankreich. Dazu zählt auch die Ergreifung des Captaine Alain Rossi. Carlucci will Rossi aber nicht töten, sondern ob seiner Verdienste nur verhaften. Mit der Mutter (Patin von Marseille) des Rossi Clan handelt er einen Plan aus, an den sich Rossi aber nicht hält. Commisaire Carlucci stellt letztendlich Rossi, kurz bevor dieser einen Anschlag auf den Präsidenten ausführen kann. Gleichzeitig lässt er seinen Schwiegersohn verhaften und lastet ihm an, dass dieser ihm unterstellte Offiziere an ausländische Terrororganisationen verraten hat. Flavio verlässt mit seiner Tochter, die sich von Sobieski scheiden lässt, und seiner Enkelin, nach einem zu Herzen gehenden Abschied seiner Mannschaft, Nizza für immer. Er wird seine Arbeit zentriert in Paris fortführen. Glücklich ist er, dass ihm auch seine langjährige Mitarbeiterin Simone Bouè mit seinem Schützling Mousse nach Paris folgt.
Das Buch ist grandios und exzellent geschrieben. Der Inhalt des Buches zeigt viel an Insiderwissen. Das Buch ist eine Bombe. Und um die wenigstens etwas zu entschärfen, beschreibt Monsieur Rainer, seine Wahlheimat mit viel Herzblut und Liebe. Die Leser lernen die wundervolle Landschaft und das Klima der Côte d’Azur kennen, wandeln mit dem Autor durch das kulturhistorisch bekannte Biot und erfahren viel über das Klima und die Vegetation der Côte d’ Azur. Doch auch über die Schattenseiten des wunderschönen Landstriches lässt Monsieur Rainer seine Leser nicht im Unklaren. Wir lernen die Elendsviertel und auch die Lebensweise der Neureichen vieler Länder kennen. die die Gelder der Entwicklungshilfe verprassen.
Alles im Allem sehr aufschlussreich für die Leser. „Commissaire Carlucci: Der Sizilianer“ muss man unbedingt gelesen haben. Er führt uns in tiefste Abgründe, zeigt uns die Verbundenheit von Familie und Freundschaften und führt uns in wunderbare Landschaften.
Heidelinde Penndorf

MORD IM ELYSÉEPALAST
Lady Geraldine Morwell, hochintelligent und durchtrieben, braucht zur Ausführung ihres ausgeklügelten Plans viel Geld. Das Familienvermögen eines IX. Earl of Tavistock (ihr Vater) wird nur an männliche Nachkommen vererbt, ihre Apanage (Abfindung) ist ein Witz und das kleine geerbte Vermögen ihrer Großmutter dafür nicht ausreichend. Sie hat ihr Diplom der juristischen Fakultät der Universität Oxford in der Tasche und damit gelingt ihr der berufliche Einstieg als Konsulin in der britischen Botschaft in Paris. Ihren Plan ins Auge gefasst und um standesgemäß wohnen zu können. kauft sie in Paris, in der Nähe des Elysèepalastes eine Villa aus der Belle Epoche, welche verwunschen in einem wunderschönen verwilderten Park liegt und der Familie Rothschild gehört. Ihr hilft der Zufall, dass Sie der Ausführung ihres Plans ein Stück näher kommt. Geraldine wird vom neuen Staatspräsident in den Elysèepalast berufen, um das Protokoll der Feierlichkeiten zum Entente Cordiale (des herzlichen Bündnisses zwischen Frankreich und Großbritannien) zu organisieren. Sie läuft zur Höchstform auf und es gelingt ihr mit ihrer Organisation den Präsidenten zu begeistern. Der französische Präsident ist in Bezug auf Frauen kein Kostverächter und es dauert nicht lang, dass er sich zu der bildhübschen und intelligenten Geraldine magisch hingezogen fühlt. Sie wird seine Geliebte, geduldet von Tochter und Ehefrau der französischen Präsidenten. Das Luder versteht es, die sexuellen Gelüste des Präsidenten in jeder Hinsicht zu befriedigen. Bald ist er Wachs in ihren Händen und ihr hörig.Es dauert nur eine kurze Zeit, bis sie ihn politisch auf ihre Linie gebracht hat und er immer öfter auf ihre Ratschläge hört. Der französische Staatspräsident ist im Charakter ziemlich schwach, er hält Intrigenspiele nicht aus, verlässt sich immer mehr auf Geraldine, die im Hintergrund mit einem Küchenkabinett (inoffiziellen Kreis enger Vertrauter, eigentliches Machtzentrum) die politischen Fäden zieht. Immer mehr verfällt der Präsident dem Alkohol, er ist nur noch glücklich, wenn seine Geliebte bei ihm ist und seine sexuellen Gelüste befriedigt. Geraldine versteht sich ausgezeichnet darauf, Intrigen zu organisieren und durchzuführen. Nicht wenige kleine Politiker und Beamte, die ihr im Weg stehen, landen hinter Gittern.Sie ist geachtet, wird gefürchtet und gehasst. Sogar so sehr gehasst, dass sie einem Mordanschlag mit viel Glück überlebt. Sehr oft regiert sie im Hintergrund mit dem Küchenkabinett Frankreichs allein, zieht die politischen Fäden, wie es ihr passt- denn der Präsident ist mehrmals zu Entziehungskuren, die leider nie den erwarteten Erfolg bringen. Neue Präsidentenwahlen stehen an. Es wird ein überaus schmutziger Wahlkampf geführt, es geht um einen Richtungswechsel der Politik Frankreichs. Mit aller Macht und vielen schmutzigen Intrigen, versucht Geraldine die alten Machtverhältnsse zu stabilisieren und den Nachfolger zu bestimmen. Die schwächste Stelle im Wahlkampf ist der Präsident selbst, der durch unbedachte Äußerungen das Küchenkabinett in den Abgrund ziehen könnte. Geraldine verspricht ihm eine heiße Liebesnacht und zur Stärkung seiner schwachen Libido gibt sie ihm diverse Pillen. In der besagten Liebesnacht, läuft sie zur Hochform auf , zieht alle perversen Liebesspiele mit dem Präsidenten durch, bis er beim Liebesspiel geschwächt durch Alkohol und in Extase der Pillen einen Herzinfarkt erleidet und stirbt. Damit hat sie gerechnet, denn genau das war beabsichtigt. In der gleichen Nacht noch verlässt Geraldine für immer Frankreich. Ein Politthriller aus der Feder von Monsieur Rainer, der dem Leser den Atem nimmt. Überaus spannend von der ersten bis zur letzten Seite. In sehr dramatischer Art hat der Autor in diesen fiktiven Politthriller die wahre Geschichte des französischen Präsidenten Felix Faure des Jahres 1899,in die Neuzeit verlegt. Nur wenige wissen wirklich, was sich eigentlich im Hintergrund der Politik für Grausamkeiten und Tragödien abspielen. Ein wahrer Sumpf an Intrigen, Korruption und Politskandalen lässt den Leser schaudern in die Abgründe der Politik blicken. Nur gut, dass die Leser nicht jeden Tag hinter die Bühne der Politik schauen , sonst müsste sich die Politik ein anderes Volk suchen.
Diesen Politthriller muss man unbedingt gelesen haben!
Heidelinde Penndorf

COMMISSAIRE CARLUCCI : TOSCA
In der Serie “Commissaire Carlucci“ hat der Autor Monsieur Rainer in seinem zuletzt erschienen sechsten Band „Tosca“ einen in jeder Hinsicht bemerkenswerten Kriminalroman vorgelegt. Dabei fasziniert nicht nur die aktuelle und spannende Handlung, die kurz angedeutet, sich um den Mordversuch an einem berühmten Operntenor bei einer Open-air-Veranstaltung von Puccinis Meisterwerk „Tosca“ im Amphitheater von Orange handelt. Vielmehr sind es die Umstände und ihre Ursachen die zu dieser heimtückischen Handlung führen, die diesen Krimi so einmalig und unbedingt lesenswert machen. Der Autor hat die gesamten Handlungsstränge und ihre Hintergründe in Bezug zu den Gräueltaten der Nazis nach dem Überfall auf Frankreich gebracht, wo nach akribischer Recherche seitens Monsieur Rainer die brutalen Massaker an der jüdischen Bevölkerung, aber auch an den Mitgliedern der Résistance, der Widerstandsbewegung in Frankreich ausschlaggebend für das aktuelle Verbrechen im Roman ist. Mit welcher menschenverachtenden Brutalität und gepaart mit unendlicher Raffgier, die deutschen Sicherheitsdienste „SS“ und „SD“ nebst weiteren Spionagediensten, aber auch Unterorganisationen der Deutschen Wehrmacht unsere Nachbarn tyrannisiert haben, wird im Laufe dieses Buches mehr als eindrucksvoll geschildert. Beim Lesen dieses Werkes war ich zutiefst erschüttert und über viele Seiten war nicht klar, was mehr in den Bann zog, die spannende Kriminalarbeit von Commissaire Carlucci, immerhin wird dem Leser die Arbeit von geheimen französischen Sicherheitsorganen nähergebracht, ein Umstand der im Grunde ungewöhnlich ist oder die geschichtliche Aufklärung der scheußlichen Verbrechen der Nazis während der Zeit des Dritten Reiches, aber auch danach als die Täter sich erneut ihr Biedermannimage zugelegt haben, um demokratische heile Welt zu spielen, um zu verdrängen, welche Mordbuben in der Verkleidung teutonischer Helden sie eigentlich waren. Monsieur Rainer lässt in jeder Hinsicht keine Geschichtsklitterung zu und welche Rolle die Franzosen selbst in Bezug auf die Nazi- Ideologie zu Zeiten des Dritten Reiches hatten und bis zur heutigen Zeit haben, da die Partei von Jean-Marie Le Pen und seiner Tochter über 15% der Wähler für sich vereinnahmen, nicht zuletzt in der nordwestlichen Provence und in der Stadt Orange, wird zeitkritisch in den Handlungsstrang eingebaut: wirklich großartig. Selten hat mich ein Kriminalroman so in seinen Bann gezogen, so dass er das Prädikat „auf höchstem Niveau“ verdient hat. Seine Lektüre ist sehr empfehlenswert.
Helga Koenig
Freie Journalistin DPV

WEHRT EUCH !
Der Autor Rainer Kahni hat in dem hier vorliegenden Buch „Wehrt Euch! “ sich mit grundlegenden Fragen unseres bundesrepublikanischen Staatswesens befasst. Zwar wird das Werk von Verlagsseite als „kleines Büchlein“ angekündigt, dies soll sich wohl aber nur auf die Seitenzahl beziehen, denn mit 72 Seiten kann man wahrlich nicht von einem dicken Wälzer sprechen. Was allerdings den Inhalt anbelangt, so haben wir es hier mit ganz bedeutenden, ja fundamentalen Fragen unseres Gemeinwesens zu tun. Kahni spricht alle diese Fragen an, die einen jeden Bürger angehen, weil sie die Grundlagen unseres demokratischen Zusammenlebens betreffen, weil sie zutiefst in die Rechte eines jeden deutschen Staatsangehörigen eingreifen. Der Titel „Wehrt Euch!“ zeigt ja auch, worum es dem Autor geht. Er erkennt Zustände, die nach seiner Meinung dringend der Veränderung bedürfen, als da z.B. die Forderung des Artikels 146 GG nach der Wiedervereinigung unseres Landes sich eine neue Verfassung zu geben, von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes ausdrücklich verlangt wird und zwar mithilfe einer Volksabstimmung.Dass dieses selbst nach über 20 Jahren nach der Wiedervereinigung noch nicht geschehen ist, und wie die Politik sich um das Gebot dieses Artikels herummogelt, wird von dem Autor ausführlich dargestellt.Des Weiteren prangert er andere Demokratiemängel an und zeigt auf, wie die vom Grundgesetz geforderte Gewaltenteilung verwässert, ja sogar durchkreuzt wurde. Den Wahlbürger sieht er als Urnenplebs an, der zwar zur Wahl aufgefordert wird, aber das damit überhaupt keine Entscheidungen verbunden sind, da unsere Volksvertreter ohnehin machen, was sie wollen. Zu welchen Absurditäten es dann kommt, wird am Beispiel der europäischen Agrarpolitik demonstriert.Überhaupt sieht Kahni, dass Politik nicht seitens des Volkes und ihrer Vertreter gemacht wird, sondern dass Banken, Industrieverbände, Lobbyisten und Großkonzerne das Sagen haben. Unsere Abgeordneten bekommen schon eindeutig beigebogen, welche Meinung sie zu den jeweiligen Themen entwickeln können. Die Gewerkschaften betrachten dabei die reale Welt eh nur durch die getönten Scheiben ihrer Dienstlimousinen und aus den Fenstern ihrer Gewerkschaftszentralen.Entwicklungshilfe ist in den Augen des Autors das reine Bestechungsgeld, damit die korrupten Despoten in den Ländern Afrikas die reichen Bodenschätze an unsere Industrie verscherbeln.Der misslungene Euro kommt ebenfalls zur Sprache und das Buch gipfelt in der Forderung, dass die Bundesbürger sich endlich von den „Flat-screens“ in ihren gemütlichen Wohnstuben losreißen sollen, um gegen die von Kahni aufgezeigten Missstände, massiv, aber friedlich auf der Straße zu demonstrieren.Zum Schluss wird noch eine neue Verfassung vorgestellt, angelehnt an unser Grundgesetz, jedoch in wesentlichen Artikeln im Sinne Kahnis demokratischer verfasst. Alles im Buch scheint plausibel und wünschenswert zu sein, ob es jedoch realistisch umsetzbar ist, bleibt angesichts der Machverhältnisse zweifelhaft.
Empfehlenswert!
Helga König
Freie Journalistin

DER WINKELADVOKAT
Im originellen Roman von Monsieur Rainer, „Der Winkeladvokat“, führt uns der nonkonformistische Rechtsanwalt Jean-Paul Malin in eine juristische Welt hinein, die den meisten Menschen verschlossen bleibt und unbekannt ist. Doch es könnte irgendwann jeder von uns in die kafkaesken Mühlen der Gerichtsbarkeit geraten, ob verschuldet oder unverschuldet. Der Roman ist mehr als irgendeine Fiktion, weil er uns realitätsbezogen vor die Augen führt, dass das Rechthaben und das Rechtbekommen zwei völlig verschiedene Dinge sind, was ja systemimmanent ist. Durch Jean-Paul Malin lernen die Leser wie wichtig es ist einen fachlich und sozial kompetenten, leidenschaftlichen und für die Gerichtsverhandlungen sehr gut vorbereiteten Rechtsanwalt zu haben, dessen Ziel es nicht ist, seine Mandanten unverschämt strategisch abzuzocken, sondern verantwortungsbewusst diese zu verteidigen. Wir reisen mit dem Protagonisten, Jean-Paul Malin, durch die Gerichtssäle und erfahren auch, dass es ethisch und charakterlich schlechte aber auch gute Staatsanwälte und Richter gibt. Hier bemüht sich der Autor nicht um einen kompensatorischen oder diplomatisch relativierenden Ausgleich, vielmehr spricht er aus seiner Erfahrung als erfahrener Rechtsanwalt, der er auch im realen Leben ist. Doch das wahre Leitmotiv des Romanprotagonisten, warum er überhaupt Rechtsanwalt geworden ist, sind seine psychopathischen, machtgierigen, reaktionären und sozialdarwinistischen Juristeneltern, die ihn barbarisch seiner Kindheit beraubten und an denen er sich deswegen rächen möchte, indem er sie mit den eigenen juristischen Waffen zu erschlagen gedenkt. Sein Vater ist Oberstaatsanwalt und seine Mutter ist Richterin. Selbst im Erwachsenenalter hängen die Eltern von Jean-Paul Malin über ihm wie ein Damoklesschwert, das ihn in jedem Moment psychologisch enthaupten könnte. Immer wenn sein Vater in Jean-Pauls Albträumen erscheint, wird der Protagonist zum rückfälligen Bettnässer. Der Roman zeigt die erdrückende Macht der längst verloren gegangenen Eltern, die sich sehr früh in die zarte Seele des Kindes schmerzlich eingravierten und wie eine zerkratzte Schalplatte/CD oder DVD, als psychologischer Datenträger, auch das Gemüt des später Erwachsenen lebenslang enorm belasten. Jean-Paul Malin befindet sich auch in einem inneren Konflikt mit sich selbst. Er schwankt hinsichtlich seiner Eltern zwischen Hass und schlechtem Gewissen, das er eigentlich nicht zu haben bräuchte, wenn er bloß diese zerkratzte seelische DVD irgendwie austauschen könnte. Das ist die Metaebene des Romans. Jean-Paul Malin ist ein Antiheld und weil er der Staranwalt der kleinen Leute ist, ist er der wahre Held. Der „Winkeladvokat“ vereinigt das Komische, Lustige, Groteske, Traurige, Erschreckende, Dramatische und Tragische. Dieser Roman ist emotional packend, spannend, aufklärerisch und aus diesem Grund sehr wertvoll und sehr empfehlenswert!
Branko Kurtanjek

Verwaltung.modern@kehl

Commissaire Carlucci: Tosca

Ungewöhnlich ist es, an dieser Stelle einen Roman zu rezensieren. Ungewöhnlich auch, dass sich das Buch in unserer Bibliothek befindet (nein, lieber Haushaltsbeauftragter, wir haben es nicht gekauft). Schwierig ist’s außerdem, aussagekräftig über dieses Buch zu schreiben. Denn es handelt sich wahrscheinlich teilweise um einen Schlüssel-, ganz sicher aber um einen Kriminalroman, und des Rätsels Lösung soll hier schließlich nicht verraten werden. Das Buch stammt von einem Deutschen, (Pseudonym: Monsieur Rainer), heißt Tosca und gehört zur Krimi-Reihe Commissaire Carlucci. Der knorrige Kommissar Flavio Carlucci (gebürtiger Sizilianer im französischen Polizeidienst) ist ein mit Panamahut und verwaschenem Leinenanzug „armselig gekleideter Mann mit Dreitagebart, der auch noch humpelt und am Stock geht“. Auf seine alten Tage schätzt er es gar nicht, sich „von jedem dahergelaufenen Politpinscher anpinkeln zu lassen. Von mir aus sollen sie mich doch feuern. Ich habe noch viel zu erzählen. Meine Depots füllen bis jetzt fünf Bände meiner Fortsetzungsserie ‚Frankreich von innen‘!“ Wegen dieser geheimnisvollen Dossiers ist der unbequeme Querulant Flavio Carlucci faktisch unkündbar. „Er fürchtet sich vor nichts und vor niemandem mehr. Er hat sein Leben gelebt und es reichlich verpfuscht mit seinem eigenwilligen Charakter. Er ist das genaue Gegenteil eines willfährigen Staatsbeamten.“ Dass Carlucci Politpinscher hasst, muss die Politpinscher übrigens nicht sonderlich grämen, denn dieser alte, unrasierte, martinitrinkende Misanthrop hasst auch sich selbst, und ein Kollege meint über ihn: „Flavio Carlucci ist kein Rassist, er hasst alle Menschen.“
Dass der äußerst bildstark beschriebene Carlucci kein Rassist ist, ist wichtig für den Roman. Denn das Verbrechensopfer ist der jüdische, homosexuelle Star-Tenor Noël Mandel, laut seinem Lebensgefährten „ein großzügiger, hochsensibler und zutiefst depressiver Mann. Seit seinem Herzinfarkt vor zwei Jahren wendet er viel Zeit und Geld für die Erforschung der Umstände seiner Geburt auf.“ Mandel wird während eines Konzerts im Amphitheater von Orange von einer Aushilfs-Harfenistin in den Rücken geschossen. Den ermittelnden Polizeibeamten unter Kommissar Carlucci stellen sich anfangs unter anderem folgende Fragen: „1. Gibt es ein Motiv für diesen Anschlag, der im persönlichen Umfeld des Opfers zu suchen ist? 2. Gibt es einen rassistischen Hintergrund? 3. Gibt es ein Motiv, das in der Homosexualität des Opfers liegt? 4. Gibt es andere Motive, die uns nicht bekannt sind? 5. Gibt es Motive, die im Ausland ihren Ursprung haben?“ Letztlich steht fest, dass die Wurzeln des Mandel-Attentats tief in der finsteren Besetzung Frankreichs durch Nazi-Deutschland liegen. „Die Täter sind aber nicht nur unter den verschiedenen rivalisierenden Résistance-Gruppierungen zu suchen, sondern auch bei den damaligen Wehrmachtsoffizieren oder der Gestapo.“ Tief stoßen Carlucci und sein Team daher in die „heile und verlogene Welt der Verdrängung“ vor: Sie sondieren Standesregister, Archive, die es aus der Zeit der Résistance und der Nazi-Besetzung Frankreichs gibt, und ihre Ermittlungen ziehen weitere Kreise: Frankreich, Deutschland, Schweiz, Österreich. Zum Schluss dann will Carlucci das Ansehen des Hauptübeltäters beschädigen, eines „abgebrühten Spionageoffizier und Volljuristen“, der nach dem Krieg seine Justizkarriere in Deutschland ungestört fortsetzen konnte, weil er „zwar bei allen möglichen Sauereien die Finger drin hatte, aber selbst gerne im Hintergrund blieb.“ Es kommt im Showdown dann aber anders, nämlich blutig.
Monsieur Rainers Tosca ist schnittig geschrieben dank Präsens-Stil, rasch wechselnden Schauplätzen und gut vorangetriebener Handlung. Kürzungspotential besteht allerdings in einigen historischen Erläuterungen, beispielsweise über den Fall John, einige in der BND-Vorgängerorganisation Gehlen unterschlüpfende Nazis oder den Fall Filbinger. „Geschichtsklitterung kennt man auch aus neuester Zeit, wenn gestandene Ministerpräsidenten furchtbare Juristen und ehemalige Marinerichter in Grabreden posthum zu Widerstandskämpfern hochstilisieren wollen. Diese verhinderten Historiker geben sich damit nur der Lächerlichkeit preis und bestätigen das Vorurteil erneut, dass nirgends so viel gelogen wird wie auf Beerdigungen.“ Das ist natürlich alles wahr, meine ich. Aber um das zu wissen, brauche zumindest ich normalerweise keinen Kriminalroman, sondern nur ein nicht von Parteiloyalitäten vernebeltes Hirn zu haben. Und das habe ich, denke ich.

ISBN 978-3-8391-7331-2; EUR 14,80
Angaben aus der Verlagsmeldung
Von Torsten Haß am 31. Oktober 2010

Staatsstreich von oben

Recht gehabt !, 28. Januar 2010

Der Autor hat offensichtlich ab dem Jahr 2005 ein politisches Tagebuch geführt. Er nimmt zu täglichen politischen Ereignissen Stellung und macht sich so seine Gedanken. Liest man heute dieses Buch, so ist man geradezu entsetzt, wenn man die Realität des Jahres 2010 betrachtet. Fast alles ist so eingetreten, wie der Autor es im Jahre 2005 beschrieben hat. Wir sind eine Republik, die von Lobbyisten dominiert wird. Sieht man das heutige politische Personal an, dann packt einen das schiere Grausen. Ein kluges Buch, das sich nicht ein einziges Mal die Mühe macht, politisch korrekt oder ausgewogen zu sein. Man muss es einfach gelesen haben! Einzig der Drucker dieses Buches hat seinen Beruf verfehlt. Er sollte irgendetwas anderes in seiner Freizeit tun, aber nie wieder ein solchen guten Text in Buchform fassen. Oder um es mit Marcel Reich-Ranicki zu sagen: “ So etwas kann man ja denken und schreiben, aber muss man es auch drucken?“ Der Drucker sollte sich sein Lehrgeld wieder zurückzahlen lassen! Kann man ein so gutes Buch auch so verhunzen?

Commissaire Carlucci: Der Sizilianer: Kriminalroman

Ein alter Säufer sieht rot!, 7. Januar 2010

Commissaire Carlucci ist ein tragischer Fehler unterlaufen. Er hat seine Dienstwaffe achtlos im Handschuhfach seines Wagens deponiert. Die depressive Innenministerin von Frankreich erschiesst sich mit dieser Pistole. Der Polizist verliert alles und wird entlassen. Er säuft und schnorrt sich durch die Altstadt von Nizza. Sein Enkelkind wird entführt. Er läuft noch einmal zur Hochform auf und hinterlässt eine blutige Spur bei der Suche nach den Tätern. Der Autor scheint das Publikum um Saint Tropez abgrundtief zu hassen. Nach seiner Ansicht sind die dekadenten Sommergäste nichts anderes als Hurensöhne, Strauchdiebe, Zuhälter und Pädophile. Das lässt er den Leser in diesem brutalen Rachethriller auch bei jeder Gelegenheit spüren und nimmt kein Blatt vor den Mund. Wer gute Nerven hat, der sollte das Buch unbedingt lesen. Es ist spannend, zynisch, gemein und durchleuchtet die schmutzigen Affairen der franzözischen Geheimdienste, die im Gegensatz zu Deutschland keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Dieses Buch muss man lesen, wenn man noch romantische Träume von Politikern hat. Aber Vorsicht: Diese Träume kommen nach der Lektüre dieses Krimis nie wieder!

Commissaire Carlucci

Historischer Kriminalfall in Romanform, 7. Januar 2010

Der legendäre Chef der Abteilung ‚Organisierte Kriminalität ‚ in der Polizei – Präfektur von Paris will einen der grössten Banküberfälle in der Geschichte Frankreichs aufklären. Dabei wird er Opfer einer politischen Intrige und verfällt in tiefe Depressionen. Später wird er als Polizeichef nach Antibes an die Côte d’Azur abgeschoben. Doch der Kreis schliesst sich schon bald, er kommt den Hintermännern dieses Geniestreiches auf die Spur und schlägt mit brutaler Härte zurück. Dieses Buch ist der Auftakt zu der Krimiserie „Commissaire Carlucci“. Wie alle Krimis dieses Autors sind die Personen der Handlung in seinen Büchern bis zur Kenntlichkeit verfremdet. Der Roman basiert auf dem berühmtesten Bankraub Frankreichs, bei dem der Vorstadt – Ganove Albert Spaggiari weit über einhundert Millionen Francs erbeutet hat. Die Drahtzieher konnten in Wahrheit nie überführt werden, sind jedoch allgemein bekannt. Ken Follett hat darüber geschrieben und mit den „Ratten von Nizza“ einen Bestseller gelandet. Damals waren die Hintermänner Spaggiari’s noch nicht bekannt. Monsieur Rainer geht der Spur weiter nach und deckt die wahren politischen Hintergründe auf. Einfach super ermittelt und stark geschrieben. Was bleibt? Ein Abgrund an Zynismus und politischer Korruption, der hier aufgedeckt wird.

Commissaire Carlucci: TOSCA: Kriminalroman

Frankreich unter der deutschen Besetzung 1940 – 1944, 7. Januar 2010

Der Autor hat ein Opernfestival intelligent dazu verwendet, den latenten Rassismus in Frankreich zu brandmarken. Um das Attentat auf einen jüdischen Startenor aufzuklären, muss der schon legendäre Commissaire Carlucci weit zurück in die Zeit des verzweifelten Kampfes der französischen Résistance gegen die deutsche Besatzungsmacht in den Jahren 1940 – 1944 zurückgehen. Er ermittelt zäh und konsequent und kommt einer ganz schmutzigen Intrige eines deutschen Wehrmachtsoffiziers auf die Spur. Der Herr Landgerichtsrat war während des 2. Weltkrieges Sonderführer – S der Spionageabwehr der Wehrmacht. Er wird nach dem Krieges als Kriegsverbrecher steckbrieflich gesucht, kann aber seine Tätigkeit am Landgericht Konstanz im Jahre 1948 ungehindert wieder aufnehmen. Der Autor widerlegt durch seine exacten Recherchen die Legende von der sauberen Wehrmacht. Dieses Ammenmärchen hat er mit diesem Buch endgültig erledigt. Das Buch ist berührend, herzzerreisend und beschämend für alle ewig Gestrigen. Er führt auch die Legende von einer unabhängigen deutschen Justiz ad absurdum. Das Buch ist packend, ergreifend und eher eine zeitgeschichtliche Dokumentation als ein Politthriller!

Der Winkeladvokat: Roman

Ein traumatisierter Anwalt, 7. Januar 2010

Eigentlich ist der kaltschnäuzige Strafverteidiger ein zutiefst verletzter und hochsensibler Mensch. Sein Vater ist ein rechtsreaktionärer Staatsanwalt, seine Mutter eine kaltherzige Richterin. Als Kind wird der Junge von seinem herrschsüchtigen Vater gequält und misshandelt, um ihm die „Deutsche Manneszucht“ einzubleuen. Er hat Todesangst und reisst zur französischen Fremdenlegion aus. Viele Jahre später kehrt er als Anwalt in das heimatliche Allgäu zurück und versucht einen Rachefeldzug gegen seine Eltern. Und zwar auf dem Gebiet, wo sie und er Waffengleichheit herstellen könnten: Im Gerichtssaal. Wie so oft im Leben misslingt diese Obsession. Schliesslich erfährt er dann doch, dass er gar nicht der leibliche Sohn dieser grausamen Menschen ist, sondern ein uneheliches Kind seines „Grossvaters“.Dieser hatte seine Tochter gezwungen, das Kind zu adoptieren, um seine eigene Schande im katholischen Allgäu zu verdecken. Der Roman, der auf wahren Tatsachen beruht, ist herzzerreissend berührend, flüssig geschrieben und mit allerlei Insiderwissen aus dem sogeannten deutschen „Rechtsstaat“ gespickt. Eine Familientragödie mit einem hochinteressanten Blick hinter die Kulissen der deutschen Justiz. Die klassische Vorlage für eine Verfilmung! Doch dazu werden unsere TV – Anstalten keinen Mut haben. Schade!

Commissaire Carlucci: Die Richterin von Nizza: Kriminalroman

Die letzte Untersuchungsrichterin von Frankreich, 1. Januar 2010

Die Tochter eines Kriminalkommissars wird als Untersuchungsrichterin in Nizza vereidigt. Im Gegensatz zu ihrem zynischen und mit allen Wassern gewaschenen Vater hat die junge Richterin noch Illusionen. Doch als sie einer Geheimloge der mächtigsten Männer Frankreichs aus Politik und Wirtschaft auf die Spur kommt, gerät ihr Bild von der Unabhängigkeit der Justiz ins Wanken. Und tatsächlich: Mit Hilfe ihres Vaters kann sie zwar die Logenbrüder verhaften, doch verurteilt wird nicht ein einziger dieser Kriminellen. Im Gegenteil, die Richterin muss um ihr Leben fürchten. Und nun von der Fiktion zur Realität: Die Politiker haben unlängst beschlossen, das 1811 von Napoleon I geschaffene Amt des weisungsunhabhängigen Untersuchungsrichters abzuschaffen. Der Roman ist spannend und ernüchternd, führt er doch hinter die Kulissen des Justizapparates. Der Autor muss über excellente Jurakenntnisse und über ein Insiderwissen verfügen, wie man es selten zu lesen bekommt. Einfach genial geschrieben!

Mord im Elyséepalast: Kriminalroman

Gemeinheiten auf hohem Niveau, 1. Januar 2010

Dieses englische Luder stammt aus allerhöchsten britischen Adelskreisen, ist genau so zynisch wie machtgeil und manipuliert die gesamte Elite der französischen Republik über das Bett des Staatspräsidenten. Sie bereichert sich schamlos und hat keinerlei Skrupel, den Staatschef umzubringen, als seine Wahlperiode zu Ende geht und er ihr nichts mehr nützt. Der Autor hat einen interessanten dramaturgischen Kunstgriff gefunden, Realität in eine nicht justiziable Romanform zu verpacken. In Wahrheit erzählt er den wahren Liebestod von Präsident Felix Faure im Jahre 1899, verlegt die Handlung in die Neuzeit und reichert sie mit allen möglichen Politskandalen an. Dieses Buch führt uns hinter die Kulissen der Macht und zeigt uns allen, wie die Politiker wirklicis zur Kenntlichkeit verfremdet. Selten so gelacht!

Commissaire Carlucci: Die wilde Brigade von Nizza: Kriminalroman

Jagd nach dem Paten von Nizza, 1. Januar 2010

Commissaire Carlucci ist ein excellenter Ermittler. Rücksichtslos, respektlos und konsequent. Seine Kollegen hassen ihn dafür. Ausserdem raucht und trinkt er zuviel. Sein unbeugsamer Charakter ist die Qualifikation, eine Sonderkommission zu bilden, um der Unterwelt von Nizza Herr zu werden und den Paten von Nizza endlich vor Gericht zu bringen. Ein blutiger Machtkampf beginnt und endet für die Innenministerin tödlich. Der Autor führt die Leser dieses brutalen Krimis an die Originalschauplätze der Handlung. Gute Nerven sind gefragt. Hier stimmt einfach alles. Der Neid unter den Kollegen des Commissaire, der Verlust seiner Freunde, der Zynismus des Verbrechens und ein atemberaubender Plot! Man ist nach der Lektüre dieses Buches fassungslos, erschöpft und bar jeglichen Glaubens an das Gute im Menschen. Ein richtiger Krimi der Noir – Serie!

Commissaire Carlucci: Der Austernzüchter von Arcachon: Kriminalroman

Ein Krimi der Extra – Klasse !, 1. Januar 2010

Der Titel klingt zunächst harmlos. Doch dahinter steckt der Machtkampf eines alten, zynischen und verkrüppelten Commissaire, der sich vor nichts und niemanden mehr fürchtet. Zäh und respektlos kommt er einem Korruptionsskandal auf die Spur, der bis in die höchsten politischen Kreise führt. Seine Ermittlungen beginnen an der Atlantikküste, führen ihn zurück nach Paris, in die Schweiz und nach Reggio Calabria und sind im Ergebnis ebenso bedrückend wie realistisch. Der Commissaire fängt ein paar Gauner, doch die Mächtigen bleiben unangetastet. Genau wie im richtigen Leben! Spannend geschrieben, köstlich böse, manchmal zynisch, aber erfrischend realistisch!

13.11.2009 um 07: 36

Thorsten Hass
Im Webstuhl

Die Geschichte eines Pinkeladvokaten

Rezension zu Monsieur Rainer, „Der Winkeladvokat“

Rezension zu Monsieur Rainer, „Der Winkeladvokat“ Fangen wir mit einem zweischneidigen Kompliment an: Dieses Buch eignet sich zur TV-Verfilmung. Tatsächlich verfilmt werden wird es allerdings nicht, denn in den alles andere als parteifernen Fernsehgremien wird eine Titelfigur auf wenig Gegenliebe stoßen, die solche Dinge äußert wie „Ich kann diesen verlogenen Ami-Scheiß nicht mehr hören“ oder: „Eine gefährliche Melange aus spießiger Mittelmäßigkeit und verhetztem Kleinbürgertum, das ist unsere politische Klasse!“ Außerdem kann es vorkommen, dass die Titelfigur außer sich ist „vor Zorn über diese Ansammlung von wandelnden Sprechblasen, blauäugigen Gutmenschen, unabsetzbaren juristischer [sic!] Ignoranten und pseudowissenschaftlichen Schwätzern.“ Weil ziemlich gleichmäßig nach politisch-rechts und politisch-links ausgeteilt wird, wird es also nix mit einer TV-Verfilmung werden. Da hilft nur eines: die Lektüre des Buches „Der Winkeladvokat“!

Einstieg in den insgesamt locker wegzulesenden Roman ist der Abschied der Titelfigur Jean-Paul Malin alias Tristan Wöhrlin von der französischen Fremdenlegion. Weiter geht es mit Malins Jura-Studium in Nizza und Tübingen und den Stationen von Malins Rechts-Referendariat, wo Malin es beispielsweise mit einem kafkaesken „Monstrum von Beamtenapparat“ zu tun bekommt, „das offensichtlich keinem anderen Zweck als der schieren Schikane seiner Bürger und seinem eigenen Selbstzweck dient.“ Bereits zu Beginn des Romans wird der Haupt-Spannungsbogen aufgebaut: Der in einem Juristen-Haushalt als Tristan Wöhrlin aufgewachsene Malin ist „nur nach Deutschland zurückgekehrt […], um sich an seinen Eltern zu rächen.“ Und zwar auf deren ureigenstem Terrain: im Gerichtssaal. „Er will sie dort, auf ihrem eigenen speziellen Gebiet, der Juristerei, schlagen, und zwar mit ihren eigenen Mitteln.“ Grund des Rachefeldzugs: Der Teilzeit-Bettnässer Malin ist traumatisiert dank der Kindesmisshandlungen durch Adoptivvater und -mutter, vor denen Malin in die Fremdenlegion floh. Erzählt wird das per Rückblende.

Nach abgeschlossenem Jura-Studium macht dieses „Explosiv-Geschoss von einem Anwalt“ mit unorthodoxen Methoden auf sich aufmerksam, die ihm außer beeindruckender Presse unter anderem eine siebentätige Ordnungshaft einbringen. Malins Fälle stellen, ebenso wie die Referendariats-Stationen, die Binnen-Spannungsbögen unterhalb des Haupt-Spannungsbogens dar (nämlich der erwähnten anti-elterlichen „Obsession“). Und weil das so ist, soll in dieser Rezension nur soviel über diese Fälle verraten werden: Entweder scheinen sie auf tatsächlichen Strafrechts-Fällen zu beruhen, oder aber sie sind anscheinend gut recherchiert. Warum welcher Fall wie ausführlich dargestellt, erschließt sich mir leider jedoch nicht.

Verglichen mit diesen Fällen tritt der „Krieg“ gegen die Adoptiveltern dagegen über weite Strecken in den Hintergrund, und eher mau fällt die tatsächliche „Schlacht“ aus, von väterlichen juristischen Drohungen abgesehen (Aufhebung des Adoptionsvertrages und somit finanziell-materielles Ungemach) sowie zwei persönlichen Konfrontationen (ungebetener weihnachtlicher Auftritt der Adoptiveltern sowie Prozessführung von Mutter Wöhrlin gegen einen von Malins Mandanten). Dass das Ende dieser „Obsession“ weitgehend im Sande verläuft (von einer überraschenden, letztlich aber folgenlosen Wendung am Schluss abgesehen) dürfte manche/n LeserIn enttäuschen. Mich allerdings nicht, denn gerade das ist realistisch: Obsessionen mit einem ‚außer Spesen nix gewesen‘. Mir behagt, wenn überhaupt, etwas anderes nicht. Da gibt es einen Titel-(Anti-)Helden, dessen Charakterbruch vor der erzählten Zeit liegt (mit Haarrissen in der Gegenwart). Doch von ihm und einem leicht klischeehaften Italo-Gangster mit Herz abgesehen kommen die Figuren für meinen Geschmack allzu glatt her, allzu schwarz-weiß: entweder fähig oder inkompetent, entweder böse oder gut. Was sie wiederum für eine TV-Verfilmung geeignet machen würde. Wie eingangs gesagt: ein zweischneidiges Kompliment…

ISBN 978-3-8370-3251-2; 15,80 EURO

Zwei Lärme
SAMMELREZENSION zu
Vollborn, Marita; Georgescu, Vlad D.: Brennpunkt Deutschland
Gebunden. Warum unser Land vor einer Zeit der Revolten steht. 364 S. m. 33 Abb. 22 cm 585g , in deutscher Sprache.
2007 Lübbe
ISBN 978-3-7857-2282-4
18.00 EUR
und
Monsieur Rainer: Staatsstreich von oben
Kartoniert. Gesammelte Kommentare zu Berliner Republik. Fazit: Lasst alle Hoffnung fahren. 305 S. 24 cm 544g , in deutscher Sprache.
2006 Edition Lithaus
ISBN 978-3-939305-30-9
14.80 EUR

28.08.2007

Unsere politischen Parteien haben circa zwei Millionen eingetragene Mitglieder. Davon nehmen circa zwanzig Prozent an der Willensbildung teil, das sind 400000. Diese entscheiden in unserem Lande faktisch über die Zusammensetzung von Parlamenten und Regierungen, und so sieht dann auch die Qualität der Personalwahl sehr oft aus. Das heutige Wahlrecht hat zum Monopol der politischen Parteien auf die Personalauswahl für öffentliche Ämter geführt. Und wie jedes Monopol fördert diese Struktur das Mittelmaß und die Einseitigkeit.
Heinz Ruhnau am 23.04.05 in der FAZ

Manchmal sollte man ein Buch ’antizyklisch’ lesen. Also, sobald eine Modeerscheinung schon vorbei oder noch nicht (wieder) da ist. Manches sieht man dann weniger dramatisch. Zwei recht dramatische Bücher sind Thema dieser Rezension. Das eine heißt Staatsstreich von oben, das andere befürchtet eine Revolution von unten und heißt Brennpunkt Deutschland. Beide Bücher erschienen zu einer Zeit, als manisch-depressive Deutsche just ihre Seelendüsternis pflegten. Allzu lange ist das ja noch nicht her, doch inzwischen sind wir eher das Opfer eines vielbeschworenen manischen Aufschwungs-Gefühls und überbordender Hurra-Stimmung. Aber wetten, dass irgendwann wieder „die Deutschen in ihrer grenzenlosen Wehleidigkeit den Untergang des Abendlandes herbeireden“? Das Zitat mit der Wehleidigkeit stammt aus Staatsstreich von oben. Autor ist ein gewisser Monsieur Rainer – ein Pseudonym. Man darf aus der Lektüre jedoch schließen, dass er ca. Jahrgang 1943 & in Frankreich weilender Bonvivant ist sowie bayerischer Kleinunternehmer/Kaufmann war. Staatsstreich von oben versammelt kurze Texte und ist eine Art politisches Tagebuch aus den Jahren 2003/04 samt Nachwort aus 2006. 2006 nämlich ist das Buch erschienen, vermutlich gegen Jahresende, denn der Buchgroßhändler KNÖ und das VLB geben unisono als Erscheinungsjahr 2007 an. Definitiv aus 2007 ist das Buch Brennpunkt Deutschlandder Journalisten Marita Vollbornund Vlad Georgescu.Stand: Herbst 2006. Sowohl Monsieur Rainer als auch Vollborn/Georgescu haben einige originelle Ideen, Monsieur Rainer geht sogar so weit zu sagen: „Ich schlage vor, wir gründen eineDritte Republik.“ Das mit dem „Dritte“ in der Staatsform-Bezeichnung sollten wir uns allerdings gut überlegen; das ging schon vor rund einem Dreivierteljahrhundert in die Hose.

Trotz großer Unterschiede ist beiden Büchern manches gemeinsam. Beispielsweise, dass sie deutlich die tatsächliche Arbeitslosenzahl nennen: über 7 Millionen. Das mag inzwischen wieder etwas weniger sein, ändert aber am langfristigen Trend nichts. „Der deutsche Arbeitsmarkt erodiert seit mehr als drei Jahrzehnten nahezu konstant“, vermelden Vollborn/Georgescu. Und für die noch vorhandenen Jobs konstatieren sie in den Worten des Jahresgutachtens 2005/06″eine Erosion der Normalarbeitsverhältnisse“ – und damit auch der Beitragszahler in den kollabierenden sozialen Sicherungssystemen. Für die GKV fällt Monsieur Rainer u.a. ein, einfach Leistungen zu streichen. Beispielsweise die Folgen von Sport- und Freizeitunfällen. Frage angesichts des Autoren-Fotos (mit Pfeife in der rechten, Rotwein in der linken Hand): Wie ist es mit Raucherbein, Lungenkrebs und Leberzirrhose? Zur umlagenfinanzierten Rentenversicherung gibt’s bei Monsieur Rainer noch weniger zu lesen, außerberechtigtem Hohn und Spott für Blüms Standard-Spruch ’Die Rente ist sicher!’ Vermutlich wollte Blüm stets ergänzen ’…tot.’. Denn laut Vollborn/Georgescu ist sie „faktisch tot“ und alle Reformansätze „politisch nicht durchsetzbare Varianten“: Beitragserhöhungen, Rentensenkungen, viel längere Lebensarbeitszeiten oder massive Einwanderung plus höhere Geburtenrate. „Die benötigte Zahl dürfte jedem Kanzler den Schweiß auf die Stirn treiben: Insgesamt 188 Millionen Menschen müssten bis 2050 nach Deutschland einwandern, um den Anstieg des Altersquotienten zu stoppen. Doch auch diese Menschenflut hätte nur einen vorübergehenden Effekt, weil die jungen Migranten eines Tages selbst vergreisen. Als flankierende Maßnahme müsste die Lebendgeburtenrate auf 3,8 Kinder je Frau steigen – sogar in den Entwicklungsländern liegt sie derzeit im Durchschnitt bei lediglich 3,0.“ Die armen Jugendlichen! „Sie zahlen heute ein und bekommen am Ende nichts“, zitieren Vollborn/Georgescu den Deutschbanker Norbert Walter. Überhaupt: bemerkenswert, diese Deutsche Bank. Eine Expertise von Deutsche Bank Research deutet „auf die wesentlich bessere Positionierung der skandinavischen Länder in den harten Zeiten der Globalisierung hin“ bei gleichzeitig geringen Arbeitslosenzahlen. „Was also ist das nordische Erfolgskonzept? Es ist verblüffend einfach: Der Staat finanziert seine Sozialleistungen aus Steuergeldern. In der Effizienz kann sich das nordische Wirtschaftsmodell durchaus mit dem angelsächsischen vergleichen“, meinenVollborn/Georgescu.
Nun stellen sich dem deutschen Normalbürger angesichts des fiesen Fiskus furchtbar die Nackenhaare auf. Meistens nimmt der fiese Fiskus einem Geld. Manchmal gibt Papa Staat einem aber auch Geld: Subventionen. „Sämtliche Subventionen sind abzuschaffen“, fordert Monsieur Rainer, und Vollborn/Georgescu ergänzen: „Es fällt auf, dass der Kreis der Begünstigten recht klein ist und alte Problembranchen wie Landwirtschaft und Steinkohlebergbau die größten Subventionsempfänger sind. Solche Subventionen konservieren Strukturen, statt sie zu erneuern.“ Eine Spezialform der Subvention ist die Steuersubvention. „Obwohl es auch lohnen würde, die Steuersubventionen für Unternehmen, Parteien, Verbände und Berufsstände zu eliminieren, fällt es den Regierenden natürlich leicht, mit den Vergünstigungen fürs Volk zu beginnen – ohne zeitliche Verzögerung, ohne größere Umstände und vor allem: ohne erheblichen Widerstand fürchten zu müssen“, meinen Vollborn/Georgescu und fordern eine „Steuer-Revolution“. Sowas gibt’s auch in dem Katalog für die Dritte Republik bei Monsieur Rainer: „Ein neues Steuersystem wird eingeführt mit den Steuersätzen 10, 20 und 30 Prozent. Sämtliche Ausnahmeregelungen werden abgeschafft. […] Die Kirchensteuer ist ersatzlos abzuschaffen. Hier muss endlich eine totale Säkularisierung von Kirche und Staat durchgeführt werden.“ Vollborn/Georgescu setzen andere Schwerpunkte: „In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Beitrag der Kapital- und Gewinneinkünfte zum Steueraufkommen halbiert, die Belastung der Arbeitseinkommen dagegen fast verdoppelt. Der Faktor Arbeit ist die Melkkuh des Fiskus. […] Unter zu hohen Steuern leiden derzeit in erster Linie die Arbeitnehmer – und damit die Leistungsträger der Gesellschaft.“ Während diese Leistungsträger immer weniger in der Tasche haben, stiegen „die Unternehmensgewinne stetig und erheblich an“, so Vollborn/Georgescu: „Um welche Dimension es sich dabei handelt, zeigt der Blick in die Gewinne der Kapitalgesellschaften. So machten im Jahr 1980 die Bruttounternehmensgewinne 39,51 Milliarden Euro aus, im wiedervereinigten Deutschland des Jahres 1991 waren es bereits 195,80 Milliarden. Nur dreizehn Jahre später erreichten die Unternehmensgewinne schließlich 368,77 Milliarden Euro.“ Und, jetzt kommt’s: „die abgeführten direkten Steuern hingegen sanken bundesweit auf nur noch 20,81 Milliarden Euro.“ Sagenhafte 5,6 Prozent Steuersatz. Auch andere Einnahmequellen würden Vollborn/Georgescu mehr schröpfen, um die Leistungsträger zu entlasten. „Viel spricht deshalb dafür, die Erbschaftssteuer zu erhöhen. Erstaunlicherweise finden sich sogar Befürworter, die selbst betroffen wären: Im Herbst 2005 hatte der Hamburger Reeder PeterKrämer einen entsprechenden Brief an die politische Führung verfasst, unterschrieben von vielen anderen Millionären und bekannten Künstlern.“ Bei diesem Thema protestiert Monsieur Rainer (der vermutlich etwas zu vererben hat) ganz entschieden: „Das ist schlicht Diebstahl, Wegelagerei und Leichenfledderung“, so der renitente Rentner, „da das vererbte Vermögen schon mehrmals versteuert wurde. Deshalb ist es völlig unlogisch, auf ein versteuertes Vermögen nochmals eine Steuer zu erheben, falls der Inhaber des Vermögens verstirbt.“ Der Erblasser (der schon versteuert hat) muss ja auch nichts zahlen – sehr wohl aber der Erbe (der diese Einnahme noch nie versteuert hat). Und selbst wenn man das anders sieht: Ständig zahlt man mit seinem bereits versteuerten Einkommen ein weiteres Mal Steuern, z.B. beim Einkauf die MWSt.An alle Wischiwaschi-Liberalen, die sonst stets die Fahne derLeistungsgesellschaft hochhalten (solange sie selbst davon nicht betroffensind): Leistet ein Erbe etwas, der die Erbschaft bekommt? Nein. Also ist eine Erbschaft leistungsfeindlich. Vollborn/Georgescu ergänzend: „Im Unterschied zu den japanischen erweisen sich deutsche Milliardäre als wesentlich beständiger und machtvoller: Mehr als die Hälfte datiert ihren Familienreichtum auf die Zeit vor 1945. Diese Zahl widerspricht dem landläufigen Mythos, dass allein Kreativität, Risikofreude und Entschlossenheit Quell des Reichtums wären.“ Von Leistung keine Spur. Nur von der richtigen Wiege, in der man zufällig lag…

Wenden wir uns wieder den Gemeinsamkeiten beider Bücher zu. „Es hat sich in Deutschland eine Parteiendiktatur eingebürgert, die völlig übersieht, dass die wenigen Mitglieder einer Partei bei weitem nicht repräsentativ für die Bevölkerung eines Landes sind“, stellt Monsieur Rainer fest und fordert daher für seine Dritte Republik: „Zuschüsse an Parteien werden gestrichen. Parteinahe Stiftungen sind abzuschaffen.“ Das brächte sogar Knete ein, wie Vollborn/Georgescu zu berichten wissen: „Seit Jahren steht die Staatsfinanzierung der Parteien in der Kritik des Bundes der Steuerzahler. Er beziffert die direkten Zuschüsse auf 133 Millionen Euro im Jahr. Zusätzlich sind Mitgliedsbeiträge und Spenden steuerbegünstigt, was die Steuerzahler auf indirektem Weg belastet und die Summe auf 260 Millionen Euro hochschnellen lässt. Exorbitant steigt die staatliche Finanzierung, rechnet man die Steuermittel hinzu, die den Parteien auf Umwegen über die Finanzierung der Fraktionen, parteinahen Stiftungen und Abgeordnetenmitarbeiter zugute kommen: 850 Millionen Euro jährlich sind es dann – ein Betrag, der gegenüber 1970 um 854 Prozent emporgeschnellt ist.“ Was aber bekommt der Steuerzahler für seingutes Geld? Parteikader. Politiker „glänzen durch Ideenlosigkeit, Inkompetenz undÜberheblichkeit“, konstatieren Vollborn/Georgescu. Monsieur Rainer ist da etwas heißblütiger & ausführlicher: „Die Politik war bei uns immer eine Sache des Sitzfleisches, nicht des Geistes. Damit muss jetzt Schluss sein!“ Für ihn ist die politische Landschaft bevölkert von Mittelmaßund jenes beseelt von „Macht, Eitelkeiten, Karrieredenken und möglichst vielen Auftritten vor den Kameras der lauernden Journalisten“. An der „Parteiendiktatur“ hasst er ziemlich viel: die „Hofschranzen“, die „Phrasen“ und „die ganze verabscheuungswürdige Heuchelei“ von Politikern, die sich entblöden, „sinnentleerte Reden zu schwingen, betroffene Mienen aufzusetzen und feierliches Gehabe wie eine Monstranz vor sich her zu tragen“. Wenn Monsieur Rainer schlecht drauf ist, drückt er deutlich seine „Abscheu für diese Politikerkaste“ aus: „Unsere Verachtung sei euch gewiss. In euren kühnsten Träumen kämet ihr nicht darauf, wie sehr wir euer überdrüssig sind, wie angeekelt wir uns von euch abwenden.“ Wenn Monsieur Rainer gut drauf ist, sieht es geringfügig milder aus: „Wir haben großes Verständnis für den Niedergang des Kölschen Karnevals, des Mainzer Faschings, der schwäbisch-alemannischen Fasnacht und des politischen Kabaretts. Wenn man diejenigen, die die Narren mit ihrem Spott aufspießen wollen, nicht mehr von den Imitatoren und Narren unterscheiden kann, dann muss jeder Narr und jeder Kabarettist an seiner Kunst versagen. Wenn man täglich Realsatire in der Tagesschau sieht, dann verzweifelt auch der beste Kabarettist.“ Und egal, ob Monsieur Rainer gut oder schlecht drauf ist: Diese Leute regieren jedenfalls das Land. „Die Zusammensetzung des Parlaments spiegelt nicht die kollektive Lebenserfahrung eines ganzen Volkes wieder, sondern die einer wirklichkeitsfernen politischen Klasse, deren berufliche Laufbahn weder wirtschaftlicher noch wissenschaftlicher Wettbewerb prägte, sondern Sicherheitsdenken und vorprogrammierte Karriereschübe“, erklären Vollborn/Georgescu: „Werner J. Patzelt […] spricht in diesem Zusammenhang von einem ’parlamentarischen Biotop, das gewissermaßen immer inzüchtiger geworden’ ist: Die Rekrutierung von politischem Nachwuchs erfolgt aus den eigenen Reihen.“ Und man ahnt, was bei Inzucht so herauskommt. Nämlich das, was Monsieur Rainer wie folgt beschreibt: “ Da die heutigen Politiker durch ihre Ausbildung und ihre Abhängigkeiten gar nicht mehr in der Lage sind, ihremverfassungsmäßigen Auftrag, nämlich dem Regieren des Landes, nachzukommen, sondern nur noch ihre Interessen verteidigen, werden Beschlüsse heute nicht mehr in den vom Gesetz vorgeschriebenen Organen beraten und gefällt, sondern in zahlreichen eingesetzten Zirkeln und Kommissionen ausgekungelt. Diese Zirkel und Kommissionen sind durch nichts und niemanden demokratisch legitimiert. Sie sind nur noch der Ausdruck der totalen Hilflosigkeit der Verfassungsorgane.“ Und außerdem, schimpft Monsieur Rainer, eine „Ansammlung von Dummschwätzern, die ihre angebliche Expertenmeinung in meterhohen Papierstößen zusammentragen.“

„Politik kann man in diesem Lande definieren als Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen mit Hilfe der Gesetzgebung“, stellt Monsieur Rainer an einer Stelle sehr schön fest. Und auch Vollborn/Georgescu weisen auf „die massive Verflechtung zwischen Wirtschaft und politischen Entscheidungsträgern“ hin. „Wie das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des stern und des Fernsehsenders RTL 2005 herausfand, fürchten die Deutschen die Macht der Bosse. Wer hierzulande wirklich das Sagen hat, dafür haben sie einen siebten Sinn: 76 Prozent gehen davon aus, dass die führenden Köpfe der Wirtschaft viel oder sehr viel Einfluss auf die Geschicke des Landes haben. Lediglich acht Prozent meinen, dass die Bürger selbst Einfluss nehmen können.“ Weil Parteipolitiker besser darin sind, sich „alle Privilegien zu sichern“ statt beim Gürtel-Enger-Schnallen „mit bestem Beispiel“ voranzugehen, legen Vollborn/Georgescu in ihrem Buch u.a. ein Modell zur leistungsorientierten Politiker-Vergütung vor. „Die Bezüge von Politikern sind so intransparent, wie sie nur sein können: Lediglich die beiden Faktoren Diät und steuerfreie Kostenpauschale sind zugänglich, alle anderen Pfründe liegen im Dunkeln. Die Geheimniskrämerei ist der Schutz vor Kritik, die sofort als Angriff gewertet und entsprechend abgestraft wird. Dabei hat das Volk ein Recht darauf zu erfahren, wie viel ein Politiker verdient, bei wem er sonst noch in Lohn und Brot steht und wie viel Zeit er mit seiner außerparlamentarischen Arbeit verbringt. Dahinter steckt einfach der Wunsch nach Vertrauen: Wähler wollen wissen, ob ihre Vertreter ihr Mandat auch wirklich ausfüllen und ob sie ihre Entscheidungen noch unabhängig treffen können“, so Vollborn/Georgescu. „Da der Energiekonzern RWE auch so umstrittene Energiequellen wie Atomkraft und Kohle anbietet, wäre es schon hilfreich zu wissen, wer auf den Gehaltslisten des Konzerns steht, denn nur so können Wähler die energiepolitischen Äußerungen ihrer Volksvertreter besser einordnen“, stellen Vollborn/Georgescu mit trockenem Humor fest. „Kaum jemand kann nachvollziehen, warum eine Nebentätigkeit notwendig sein sollte, obwohl die staatliche finanzielle Versorgung doch so mager nicht ist.“ Oft genannt: der Parlamentarier-Wunsch, „Kontakt zum Beruf zu halten und für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Parlament Vorsorge zu treffen. Aber: Welcher Arbeitnehmer hat heute eine Arbeitsplatzgarantie?“ (Diese Frage kann man übrigens auch denen stellen, die sich gegen das Recall-Verfahren o.ä. aussprechen; dazu weiter unten.) „Geradezu nahtlos fügen sich die beiden Teile einer verführbaren Politikerpersönlichkeit zusammen: die strikte Weigerung, Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte dem Wählervolk mitzuteilen, und die umgehende Übernahme lukrativer und machtstarker Jobs nach Ablauf der Amtszeit.“ Schließlich kann es ja sein, dass man während seiner Amtszeit nicht genug Korruptionsgelder bekam, vielleicht, weil man in den falschen Ausschüssen saß: Lobbyisten wissen, „dass Abgeordnetenbestechung sich nur dann strafrechtlich verfolgen lässt, wenn nachweislich Stimmen gekauft wurden, um im Bundestag Einfluss zu gewinnen – nicht aber, wenn der gleiche Vorgang in den vorbereitenden Ausschüssen abläuft. Heute werden die Vorentscheidungen in Ausschüssen getroffen und danach vom Parlament nur noch durchgewinkt. Die Wirtschaftssouffleure haben ihren Auftritt, bevor die Abgeordneten ihren Arm zur Abstimmung heben“, erklären Vollborn/Georgescu und resümieren: „Deutschland hat den Weg zur Marionettendemokratie eingeschlagen.“

„Die Deutschen halten politische Parteien und Legislativorgane an erster beziehungsweise dritter Stelle für die korruptesten Institutionen der Gesellschaft überhaupt – eine deutlichere Signalwirkung kann von solchen Umfrageergebnissen gar nicht ausgehen. Was aber ist ein Wahlsystem wert, das Bürgern das Gefühl vermittelt, eigentlich gar keine Wahl zu haben? Egal, welche Partei an der Macht ist, der Einfluss des Wahlvolks auf politische Entscheidungen ist marginal, weil Konzerne Bundestag und Länderparlamente fest im Griff haben […]. Wie aber soll ein Gemeinwesen funktionieren, wenn das Volk seinen Repräsentanten misstraut?“, fragen Vollborn/Georgescu: „Hinzu kommt, dass das Gros der Bevölkerung zwar durchaus politisch interessiert, doch mit der ’großen Politik’ überaus unzufrieden ist. […] Fakt ist, dass die Menschen zwar alle vier Jahre wählen dürfen – eine Mitbestimmung findet aber nicht statt. ichtige Entscheidungsprozesse werden ohne Mitsprache der Bevölkerung durch Politiker, Wirtschaftsvertreter und verschiedene Fachleute festgelegt.“ Reformen müssen her, und ‚Denkverbote helfen nicht weiter‘ (wie unsere Bundeskanzlerines im ersten Juli-Drittel so schön sagte). Dass Monsieur Rainer für die Abschaffung der Parlamentarischen Staatssekretäre ist? Das sind Vollborn/Georgescu auch: „gänzlich überflüssig“. Neben denParlamentarischen Staatssekretären hätte Monsieur Rainer auch gerne den Bundespräsidenten („Grüß-August“) abgeschafft: „Wem es […] gelungen ist, aus dem Parteiengezerre ohne Schrammen herausgekommen zu sein und in das Amt gewählt zu werden, der kann ein guter Präsident werden. Oder auch nicht. Zu viel der Zufälle, zu viel des Geschachers, zu viel des verlogenen Geschwätzes von der Würde des hohen Amtes. Zuviel Machtspielchen unter den Politikern. Es hat keine Würde, es hat keine Klasse, es hat keinen Stil, also gibt es nur eine einzige Konsequenz: Aufhören, aufhören, aufhören!!!“ Schöner Kollateralnutzen: „Wenn diese Republik ein wirklich sinnloses Amt neben den vielen sinnlosen Ämtern und Behörden unterhält, dann ist es das Bundespräsidialamt.“ Also, so Monsieur Rainer: Weg damit. Was sonst? Föderalismusreform. Für seine Verhältnisse ist er da erstaunlich zögerlich: Er ist nur für eine Zusammenlegung, nicht für eine allseitige Auflösung von Bundesländern (vermutlich graut es ihm beim Gedanken, dass Bayern nicht mehr selbständig sein könnte). Trotzdem fällt ihm vieles ein, was gegen den Föderalismus spricht. Beispielsweise das Geschacher um die Agenda 2010 mit dem Bundesrat: „eine grandiose Selbsttäuschung, typisch deutsche Formelkompromisse und Scheinlösungen, unterlegt mit Luftbuchungen und Taschenspielertricks […]. Die Egoismen der Länder, Parteien und Interessenvertreter haben gesiegt.“ Weniger erstaunlich: dass MonsieurRainer auf einen Grund nicht kommen mag, der gegen den Föderalismus spricht und denVollborn/Georgescu genüsslich ausbreiten. Nämlich die Steuern: „So haben die Bundesländer nur ein eingeschränktes Interesse an einer effizienten Arbeit ihrer Finanzbehörden – sie beharren aus egoistischen Interessen auf der föderalistischen Struktur des Finanzwesens in Deutschland und sehen von einer angemessenen Ausstattung mit Personal und technischem Gerät ab. […] Die Kapitulation vor der Macht der Länder trägt zur Misere des gesamten Landes bei. Denn eine Übernahme der Länderfinanzverwaltungen durch den Bund wäre äußerst effektiv, weil sich nur auf diese Weise die eklatanten Schwächen des derzeitigen Steuerföderalismus ausmerzen lassen.“ Weiteres Argument gegen den deutschen Föderalismus, so Vollborn/Georgescu: „Es gibt zahlreiche Modelle zur Verbesserung unseres Bildungssystems – nur sind selbst die besten kaum umzusetzen. Ein wesentlicher Hemmschuh für grundlegende Änderungen ist das Föderalismusprinzip. Bildung ist größtenteils Ländersache, obwohl ein ganzes Volk unter der Kleinstaaterei der Bildungspolitik leidet.“ Auch Monsieur Rainer hätte gerne eine bundesweite Ausbreitung des, natürlich, bayerischen Abiturs. Denn in Bayern sieht es laut Monsieur Rainer wie folgt aus: „In den Schulen herrscht noch Zucht und Ordnung und die Leute kommen gescheiter aus der Schule als in anderen Ländern.“ Bayerisches Abitur bundesweit? Hm, also ich erinnere mich noch an das MBG Nürnberg, wo Englisch fast wie eine tote Sprache gelehrt wurde und während einer Deutsch-Klausur ein Mitschüler (der ansonsten die längsten naturwissenschaftlichen Formeln herunterbeten konnte) die Frage zu stellen wagte, ob man Dutzend am Ende mit dt schreibt. Und: Er erhielt vom Deutschlehrer Antwort, als ob diese Frage einer 10. Klasse an einem bayrischen Gymnasium gemäß sei. Seither halte ich vom bayrischen Schulwesen nur bedingt viel…
Aber zurück zum Föderalismus. Weil Vollborn/Georgescu ja über bevorstehende Revolten schreiben, gibt es in ihrem Buch auch einige Gewalttaten und Schreckensszenarien. Das Repertoire reicht dabei von „Desinformation als Waffe“ über einfache militärische Sprengsätze, Anschläge auf Energie-Knotenpunkte oder Öl- und Gastanker bis hin zum ABC-Bereich, mit besonderen Spielarten im A-Bereich: Dirty Bombs oderAKWs als Zielscheibe. „Die Folgen eines Anschlags wären verheerend – bei einem Synchronangriff“ à la Nine Eleven auf die laut GRS besonders gefährdeten fünf Atommeiler „würde praktisch mehr als die Hälfte der Territorialfläche der Bundesrepublik unbewohnbar.“ Was tun? Dazu reicht ein einziger Satz aus, den Vollborn/Georgescu zitieren: „Überbordende Bürokratie bei den Meldewegen, unnötige Dateivielfalten, die Bund-Länder-Rivalitäten bei den Spitzenbehörden lassen jeden Fachmann erschaudern.“ Und auch Monsieur Rainer meint: „In Deutschland bespitzeln sich sechzehn Landesämter für Verfassungsschutz und sechzehn Landeskriminalämter gegenseitig. […] Zum angeblichen Schutz der föderalen Strukturen wird hier auf dem Rücken der Bevölkerung ein sicherheitstechnischer Wahnwitz betrieben, der in Absurdistan noch Kopfschütteln auslösen würde.“ Hm. Wenn der deutsche Föderalismus also eine Gefahr für Steuereinnahmen, den Standortfaktor Bildung und die innere Sicherheit ist – wieso wird er dann nicht abgeschafft? Und: Müssen Föderalismus-Befürworter (=Befürworter einer Gefährdung der inneren Sicherheit) eigentlich nicht künftig als ’Gefährder’ vom Bundesinnenminister höchstpersönlichinterniert werden?

Nachdem wir, natürlich rein fiktiv, die Parlamentarischen Staatssekretäre, den Bundespräsidenten und den Föderalismus wegen Nutzlosigkeit oder Schädlichkeit abgeschafft haben – was macht Monsieur Rainer mit Legislative, Exekutive, Judikative? Zunächst zur Legislative, dem Parlament (dem, denn der Bundesrat wäre ja perdu). Monsieur Rainer möchte keine Landeslisten mehr – augenblicklich stellt sich ihm die Lage nämlich so dar: „Der größte Witz aber ist dabei, wie diese ’Volksvertreter’ überhaupt in die Parlamente kommen. Nicht etwa durch die freie und geheime Wahl der Bürger […], nein, die meisten Parlamentarier werden in nicht demokratisch legitimierten parteiinternen Kungeleien auf sogenannte Landeslisten gesetzt, um dann dem Stimmvieh vorgekaut serviert zu werden.“ Also: Direktwahl, bitte. Schade, dass Monsieur Rainer sich nicht über die Möglichkeiten eines Losverfahrens statt einer Wahl auslässt und dessen Vorteile: repräsentativ, keine Wiederwahl, billig (Stichworte hierzu: Citizen Legislature oder Neodemokratie). In einer recht guten Check-Liste „Freiheit ist…“ kommt außerdem u.a. an Wahlmöglichkeiten für den Bürger noch hinzu „…wenn wir die Präsidenten der Rechnungshöfe in direkter Wahl wählen dürfen“ sowie „… wenn wir unsere Minister und Regierungschefs im Recall-Verfahren abwählen dürfen.“ Und auch in der Judikative möchte Monsieur Rainer wählen lassen. Zur Floskel „Im Namen des Volkes“ fällt Monsieur Rainer nämlich nur ein: „Sie sprechen nicht in unserem Namen Recht, denn sie sind nicht von uns gewählt.“ Wählbar (mit Recall, so wie die o.a. Minister und Regierungschefs): Volljuristen. „Die Richter müssen vom Volk gewählt und wieder abgesetzt werden. Erst dann sind sie wirklich unabhängig und verdienen die Autorität, die sie sich anmaßen, nur weil sie zufällig ein paar Examina bestanden und sich eine Kutte bei der Hans-Soldan-Stiftung gekauft haben.“ Die bisherige angeblich Unabhängigkeit der Justiz? „Die tägliche Praxis sieht anders aus. Da kann das Justizministerium jeden Staatsanwalt zitieren, Akteneinsicht verlangen und auf mehr oder weniger elegante Weise auf ein laufendes Verfahren Einfluss nehmen. Folgt der ermittelnde Staatsanwalt nicht den ’Wünschen’ der Politik, so findet er sich sehr schnell wieder als kleiner Familienrichter am Amtsgericht Hintertupfingen wieder [sic!], was in der Regel das Ende seiner Karriere bedeutet. […] Soviel zur Unabhängigkeit der deutschen Justiz, die die Politiker immer so vollmundig verkünden, wohl wissend, dass es so etwas in Deutschland noch nie gegeben hat.“

Brennpunkt Deutschland von Vollborn/Georgescu ist statistisch gut unterfüttert, mit 20 Tabellen und 14 Graphiken versehen sowie einem Anmerkungsapparat (gleichzeitig Literaturverzeichnis) zu den Fußnoten. An der Zuverlässigkeit der Angaben lässt allerdings schon allein die Tatsache zweifeln, dass der Anmerkungs-Apparat mit Fußnote 379 einfach abbricht, während es im Text noch bis Fußnote 388 geht. Weitere Schlampereien sind teilweise wortwörtliche Redundanzen (z.B. Seite 69 mit Seite 344, Seite 177 mit Seite 345). Bedenklich bei Vollborn/Georgescu ist ferner, dass Towers Perrin mehr als einmal als Towers Pin auftaucht (wohl kein Druckfehler mehr). Monsieur Rainers Staatsstreich von oben dagegen gibt den LeserInnen bei seinen Druck-/Tippfehlern (z.B. Leuthäuser-Schnarrenberger, Inge Messel und Cheeny) immerhin auf Seite 158 dann noch was zu lachen mit der These, „dass die größte Geisel der Menschheit die Dummheit ist“. Die arme Dummheit – Geisel der ganzen Menschheit! Wenn sie wenigstens in irgendeinem Keller eingesperrt wäre oder man ihr zwischenzeitlich die Kehle durchgeschnitten hätte (kommt bei Geiseln ja vor) – ach, wäre das schön! Aber nein, die Geisel Dummheit ist versklavt zu harter Arbeit, deren Früchte wir z.B. bei Ansprachen der Mächtigen sehen können oder in irgendeinem Verordnungsblatt, Regierungsbulletin oder Ministerialschreiben lesen – und, ach, das ist schlimm!
Noch kurz zum Stil. Monsieur Rainer nimmt sich nach eigenen Worten „das Recht heraus, die Missstände in unserem Land in der mir eigenen Sprache schonungslos anzuprangern“ und vermeldet stolz nach einer bestimmten Formulierung: „dieser Ausdruck wird die zwanghaften Verfechter der amerikanischen Political Correctness sehr zum Zorne reizen, das bereitet mir besonderes Vergnügen“. Immerhin aber soll „dieses Buch […] ausgewogen sein in seinem Schrecken. Niemand wird verschont, Schluss mit Harmoniesucht und Konsensgesäusel!“ Und so kommt es dann auch. Gehässig bis geifernd krakeelt Monsieur Rainer, aufgebracht und aufdringlich. Diese Inhalte werden unterstützt durch eine augenblauhauende Aufmachung mit Fettdruck und Lettern-Größe im Bildzeitungs-Format (in dieser Rezension wurde beides in Kursiv-Schrift umgesetzt; man muss beim Zitieren ja nichtjeden typographischen Unfug mitmachen). Solche inhaltlichen und visuellen Autoren-Aufdringlichkeiten sind bedauerlich. Der Buchumschlag nämlich preist Monsieur Rainer dafür, dass er mit „schon fast Tucholskyscher Sprachgewalt“ ans Werk geht. Das stimmt für die besseren Teile des Buches, für weite Teile jedoch nicht. Für welche es nicht stimmt? Für die aufdringlichen, lauten Teile. Tucholsky nämlich hasste ’Lärm und Geräusch’ (Kurt Tucholsky, Kurt Tucholsky haßt – liebt, 1928). Am meisten taugt Monsieur Rainers Buch folglich, wo esleise bleibt. Wie es so schön heißt: Wer schreit, hat Unrecht. Und um schreiendes Unrecht zu haben, tja, da hat Monsieur Rainer dann doch zu oft Recht. Witzig kann er nämlich auch dort sein, wo ihm die Pferde nicht durchgehen, z.B. bei Personencharakterisierungen. Westerwelle? Die „Frühstückswurst der FDP“. Müntefering? „Gekleidet und frisiert wie ein Handelsvertreter in den Siebzigern, der beim Tanztee alte Weiber beglückt“. Merkel? „Der blubbernde Hosenanzug“ (bzw. „buckelige Hosenanzug“) „wirkt auf uns wie eine alte Basset-Hündin, die völlig desillusioniert in trostloser Verzweiflung in einem Käfig des Tierheims sitzt.“ Und gegen Ende des Buches dann noch Schäuble, „der seinen ganzen Frust an seiner verdampften Karriere am Grundgesetz auslassen wird“, so Monsieur Rainer prophetisch in seinem Nachwort aus dem Jahr 2006: „Schäuble wird deshalb Mr. Fast genannt, weil er fast jedes politische Amt der Bundesrepublik Deutschland schon fast gehabt hat. Er war fast Bundeskanzler, er war fast Bundespräsident und auch fast Bundestagspräsident. Aber eben nur fast. Irgendjemand muss ihm die Luft aus einem seiner Reifen herausgelassen haben, denn er dreht sich dauernd im Kreis und landet ewig wieder am Ausgangspunkt. Das macht den Mann nicht lieblicher.“
Der Stil von Brennpunkt Deutschland? Anständig geschrieben, mit journalistischer Feder, wenn auch etwas reißerisch im Titel und überdramatisch im Text. Denn wer wird laut Vollborn/Georgescu Revolution machen in Deutschland? Nicht nur die ohnmächtige, frustrierte Unterschicht, durch langjährige Arbeitslosigkeit an Aggressionen gewöhnt, durch langjährige Unbildung den „Nährboden für die kommenden Revolten“ bildend. Sondern auch – und laut Vollborn/Georgescu viel gefährlicher – die von Perspektivlosigkeit und Zukunftsangst erfüllte Mittelschicht, die bislang staatstragend war und die von der „Erosion der Einkommen“ erfasst werde. „Es sind nicht mehr nur die schlecht Ausgebildeten, die Niedriglöhner, die Alleinstehenden und deren Kinder, die Langzeitarbeitslosen, die Menschen mit Migrationshintergrund und die sozial Schwachen; das Damoklesschwert des sozialen Abstiegs trifft zunehmend die ehemaligen Gewinner der Aufstiegsgesellschaft Deutschland, die gescheiterten Anwälte, Architekten, Kleinunternehmer“, so Vollborn/Georgescu: „Die Effizienz der kommenden Revolten wird jedoch weit höher sein als die der vergangenen, großen sozialen Revolutionen. Es ist nicht mehr das gemeine ’Proletariat’, das sich erheben wird. Die Revoluzzer von morgen sind arbeitslose, verarmte, aber gut ausgebildete Eliten, die sich nicht mehr für die Gesellschaft, sondern gegen sie einsetzen. Nie zuvor war eine Bevölkerungsschicht in der Lage, sich dank medialer Vernetzung perfekt zu tarnen, ihr Wissen permanent zu erweitern und ihre Aktionen so zu organisieren wie heute.“

„Es ist ein Irrtum zu glauben, dass das politische System, in dem ein Volk lebt, die Quintessenz seines innersten Wesens ist – das ist sehr selten. Es ist nur der Ausdruck dafür, was es erträgt“, zitiert Monsieur Rainer Kurt Tucholsky. Monsieur Rainer selbst ist ausgewandert und hat „es nicht bereut, Deutschland den Rücken gekehrt zu haben.“ Auswanderung ist übrigens auch noch ein Thema bei Vollborn/Georgescu: Sie habe fast sämtliche gesellschaftliche Schichten erfasst. Und sie habe ein großes Potential: „Besonders heikel ist, dass es so viele sind, die es in die Ferne treibt: 40 Prozent würden ihrer Heimat am liebsten den Rücken kehren, von den Studenten sind es sogar 56 Prozent. Die Deutschen sprechen damit der Zukunftsfähigkeit ihres Landes ein Misstrauensvotum aus.“ Das ist ein Grund, warum es in Deutschland keine Revolte gibt: Die Leute machen sich einfach vom Acker. Einen zweiten Grund nennt Monsieur Rainer: „Der Geist der französischen Revolution ist an Deutschland spurlos vorübergegangen. Die Franzosen lassen sich rein gar nichts von ihren Politikern gefallen. […] Vielleicht haben es die Deutschen nicht anders verdient. Sie sind ein Volk von Egomanen, Nörglern, Neidern, Duckmäusern, Denunzianten, Spießern und Untertanen.“ Vermutlich würde Monsieur Rainer das Team Vollborn/Georgescu als „Gutmenschen“ verspotten, Vollborn/Georgescu wiederum über Monsieur Rainer als Neoliberalen herziehen. Dennoch oder gerade deswegen: Interessant sind die Gemeinsamkeiten, die man aus zweierlei Lärm (und so unterschiedlichem!) herauslesen kann.

Es gibt vielerlei Lärme. Aber es gibt nur eine Stille.
Kurt Tucholsky, Zwei Lärme (1925)